wichtige Ratschläge

Wie du eine gewalttätige Beziehung verlassen kannst

Wenn du dich fragst, wie du eine Beziehung verlassen kannst, in der du Gewalt erfährst, ist das ein wahnsinnig mutiger Schritt, bei dem ich dich so gut ich kann unterstützen möchte. Du hast vermutlich viele Fragen. Mit diesen Ratschlägen versuche ich, Dir einige davon zu beantworten und dir den Weg raus aus der Gewalt in eine bessere Zukunft zu erleichtern.

Natürlich kann ich deine persönliche Situation nicht einschätzen – hör deshalb bitte immer auf dein Gefühl, ob sich etwas richtig anfühlt oder nicht und sprich, wenn es dir irgendwie möglich ist, mit Expert*innen bei Beratungsstellen, die dir Rat für deine persönliche Situation geben können. Vielleicht sind einige dieser Schritte auch nicht nötig für dich – das kannst nur du einschätzen. Sie können dir aber mehr Sicherheit geben, dich auf eine Trennung vorzubereiten.

1. Mach dir, wenn nötig, einen Sicherheitsplan


Wenn deine Situation gefährlich ist oder wenn du denkst, dass deine Situation gefährlich werden könnte, mach dir einen Sicherheitsplan. Übe, wenn möglich, einen Fluchtweg in deinem Zuhause. Überlege dafür zum Beispiel, welche Räume am sichersten sind, weil es dort keine scharfen Gegenstände gibt. Finde heraus, wo es bei dir in der Umgebung Orte gibt, wo du im Notfall hingehen könntest. Zum Beispiel zu einer Beratungsorganisation, einem Krankenhaus, einer Gemeinde oder einem anderen Ort, der möglichst immer zugänglich ist. Wenn du Kinder hast, ist es wichtig, auch für sie einen Sicherheitsplan zu erstellen. Sprich altersgerecht mit ihnen darüber, was sie tun können, wenn sie in Gefahr sind. Eine Beratungsstelle kann dir dabei helfen, deine Situation einzuschätzen und einen Sicherheitsplan für deine Kinder zu machen.

2. Weihe Vertrauenspersonen ein


Ich weiß, dass es vielleicht gerade jetzt wenig Menschen gibt, denen du vertraust und zu denen du engen Kontakt hast. Mach dir bewusst, dass dir vermutlich mehr Menschen helfen würden, als du dir vorstellen kannst, wenn du dich ihnen anvertraust und sie um Hilfe bittest. Versuche, ein paar Personen zu finden, bei denen du im Notfall unterkommen kannst. Wenn du schon länger keinen Kontakt zu ihnen hattest, kann das sogar von Vorteil sein, weil die gewalttätige Person dich bei ihnen nicht vermuten würde. Vielleicht hast du ein Familienmitglied oder eine Person, mit der du früher mal eng befreundet warst. Vielleicht gibt es jemanden von der Arbeit oder eine andere Person, die dir mal gezeigt hat, dass sie sich Sorgen um dich macht. Ihr könnt ein geheimes Zeichen abmachen, mit dem du signalisieren kannst, wenn du Hilfe braucht, ohne dass die Person, die gewalttätig ist, es merkt. Das kann eine SMS oder ein Wort sein, ein Handzeichen oder was immer am besten passt.

3. Such dir wichtige Nummern und Anlaufstellen raus und halte sie bereit


Such dir Notrufnummern, Beratungsstellen in deiner Nähe und lass dir von ihnen Kontakte von Schutz- oder Frauenhäusern vermitteln. Speichere sie dir in deinem Handy ab, wenn das sicher ist oder schreib sie dir auf und verstecke sie dann so, dass du sie immer bei dir tragen kannst. Du kannst sie zum Beispiel in dem Innenfutter deiner Handtasche verstecken. Diese Kontakte können dir im Ernstfall schnelle Unterstützung bieten.

4. Bereite eine Notfalltasche vor


Packe eine Notfalltasche mit den wichtigsten Dingen, die du eventuell schnell brauchen könntest: Ausweisdokumente, Versicherungskarten, Geld, Bankkarten, Wechselkleidung, Medikamente und – falls du Kinder hast – auch alles Wichtige für sie. Bewahre diese Tasche an einem Ort auf, den du schnell erreichen kannst oder gib sie einer Person deines Vertrauens,

5. Sichere alle wichtigen Dokumente


Erstelle Scans, Fotos oder Kopien deiner wichtigsten Dokumente, zum Beispiel Ausweise, Geburtsurkunden, Mietvertrag, Versicherungsdokumente, medizinische Unterlagen und Bankinformationen. Bewahre die Kopien an einem sicheren Ort auf – vielleicht bei einem Familienmitglied oder in einem gesicherten Cloud-Ordner, auf den du jederzeit zugreifen kannst, den aber die Person nicht kennt, die gewalttätig ist.

6. Bereite deine Finanzen vor


Eröffne, wenn du kannst, ein eigenes Bankkonto und fang so bald du kannst an, Geld zu sparen. Je mehr du sparen kannst, desto besser – aber selbst kleine Beträge können dir am Anfang helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Falls du bisher keinen Zugang zu Finanzen hattest, versuch dir auf verschiedene Weisen unbemerkt Geld zusammen zu sparen – das kann dir ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit geben.

  • Du kannst zum Beispiel Wechselgeld vom Einkaufen sammeln

  • Du kannst auf Plattformen oder Flohmärkten Gegenstände verkaufen, die du nicht mehr brauchst – vielleicht kann auch eine befreundete Person das für dich übernehmen, wenn es ein zu hohes Risiko wäre, dass dein Account auf einer Plattform entdeckt wird. Zum Beispiel könntest du nicht mehr verwendete Elektronik, Kleidung oder Schmuck, an dem du nicht hängst, verkaufen

  • Du kannst in der Nachbarschaft kleine Dienste wie Einkaufen anbieten

  • Manche Supermärkte, Drogerien oder Online-Shops bieten Gutscheine an, die als Zahlungsmittel genutzt werden können. Wenn deine Kaufbelege nicht kontrolliert werden, kannst du solche Gutscheine unauffällig kaufen und später für Lebensmittel oder andere wichtige Dinge verwenden

  • Vielleicht gibt es auch eine Person, die dir Geld leihen kann? Das sollte aber nur eine Person sein, der du vertraust und die das Geld für längere Zeit nicht braucht. Sonst entsteht das Risiko, dass du in Abhängigkeit von einer Person gerätst, die das ausnutzen könnte.


Solltest du Bargeld sparen, ist es sinnvoll, es nicht alles an einem Ort aufzubewahren, falls es gefunden wird. Du kannst Beträge auch sicherheitshalber in einen Briefumschlag tun, den du mit einem unauffälligen Zweck beschriftest. Zum Beispiel mit “Klassenfahrt”, wenn ihr Kinder habt, oder “Weihnachten”.

Sobald du eine Summe angespart hast, die auffallen könnte, ist es auch ratsam, sie einer vertrauten Person zur Aufbewahrung anzuvertrauen, die sie dir später geben kann. Gib aber nie einer einzigen Person deine gesamten Ersparnisse, falls du unerwartet von zuhause weg musst und deine Vertrauensperson gerade nicht vor Ort ist.

7. Finde ein Schutzhaus oder eine sichere Unterkunft


Vielleicht kannst du dir selber eine sichere Unterkunft suchen. Ansonsten kann dir eine Beratungsstelle in deiner Nähe Kontakte zu Schutzhäusern vermitteln. Es gibt nicht viele Plätze, deshalb kann es manchmal dauern, bis ein Platz frei ist. Informiere dich deshalb so früh wie möglich darüber. Frag dabei auch danach, ob du Kinder oder Haustiere mitbringen kannst, weil das nicht in jedem Schutzhaus möglich ist. Notiere dir die Adressen und Telefonnummern, wo sie nicht gefunden werden können.

Wenn du ein Mann oder trans* bist, gibt es leider nur wenige oder keine Schutzhäuser, in denen du unterkommen kannst. Sprich mit Beratungsstellen, die auf Gewalt an Männern beziehungsweise LGBTQ+ spezialisiert sind. Sie können dir andere Möglichkeiten nennen, die es für dich gibt, um eine sichere Unterkunft zu finden.

8. Such eine sichere Unterkunft für deine Haustiere


Wenn du deine Haustiere nicht mitnehmen kannst, wohin du gehst, such eine Person, die deine Haustiere für einige Zeit nehmen kann. Manche Schutzhäuser können dir aber auch dabei helfen, eine Lösung zu finden, wenn du selbst keine Person findest, die sie nehmen kann.

9. Kümmere dich um deine digitale Sicherheit


Spätestens, wenn du die Beziehung verlässt, wird die gewalttätige Person versuchen, alles zu tun, um wieder Kontrolle über dich bekommen zu können, dich zu finden oder anders auf dich zugreifen zu können. Bereite dich darauf vor, indem du dich digital so gut absicherst wie möglich. Meine Sicherheitstipps sind dafür ein guter Anfang. Ich würde dir aber empfehlen, das nicht erst zu machen, wenn du schon kurz vor der Trennung stehst, falls die Person irgendwann misstrauisch wird.

Zu den Dingen, die du tun solltest, gehört zum Beispiel, alle Passwörter für deine E-Mails, sozialen Medien und andere Online-Konten zu ändern und für so viele Accounts wie möglich eine Zwei-Faktor-Authentifizierung einzurichten. Außerdem solltest du unbedingt deine Ortungsdienste überprüfen und deine Geräte auf Spyware checken.

Wenn du kannst, leg dir ein neues Handy oder eine neue SIM-Karte für kritische Anrufe oder Nachrichten zu oder nutze dafür ein Handy einer anderen Person.

10. Dokumentiere alles, was an Gewalt oder Kontrolle vorfällt


Auch wenn es schwerfällt, kann es hilfreich sein, Beweise zu sammeln, falls du später rechtliche Schritte in Betracht ziehst oder für deine eigene Sicherheit Nachweise dafür brauchst, was dir passiert. Das kann zum Beispiel bei einem Wohnungsverweis wichtig werden, wenn du ein Kontaktverbot erwirken willst, oder – falls du Kinder hast – bei Sorgerechts-Themen.

Dokumentiere so viel wie nur möglich:

  • Mach Fotos von Verletzungen, von beschädigten Gegenständen oder von anderen eindeutigen Dingen. Bei Verletzungen wie blauen Flecken ist es wichtig, dass du einen Gegenstand wie eine EC-Karte daneben hältst, der eine festgelegte Größe hat. Die Größe von Verletzungen an Fotos erkennen zu können, ist eine wichtige Bedingung dafür, dass sie im Zweifel als Beweis dienen können.

  • Mach dir Notizen mit Datum und Zitaten von allem, was vorgefallen ist. Schreib auch auf, wenn andere Personen etwas mitbekommen haben. Am besten speicherst du diese Notizen digital an einem sicheren Ort, damit du später jederzeit darauf zugreifen kannst.

  • Wenn es sicher ist, kannst du Video- oder Sprachaufnahmen machen

  • Du kannst Screenshots von bedrohlichen Nachrichten machen und auch von allen, in denen es um die Gewalt geht.

  • Sammele gegebenenfalls Polizeiberichte

  • Lass möglichst von allen Verletzungen ärztliche Gutachten oder andere Nachweise erstellen. Das kannst du bei jeder Allgemeinmedizinischen Praxis machen lassen oder in einer Notaufnahme, die eine vertrauliche Spurensicherung anbietet. Ärzt*innen unterliegen der Schweigepflicht. Die gewalttätige Person wird also nichts davon erfahren – außer, es könnten Kinder akut bedroht sein. Informiere dich darüber genauer bei einer Beratungsstelle. Dich medizinisch versorgen zu lassen, kann dir auch helfen, weil es dir hilft, Kontrolle über deine medizinische Versorgung zurückzugewinnen. Mehr zu diesen Themen habe ich in diesem Artikel für dich gesammelt.

 

Grundsätzlich solltest du versuchen, Dinge so zu dokumentieren, dass später nachweisbar ist, wann genau die Dokumentation stattgefunden hat. Das heißt zum Beispiel dadurch, dass du nachweisen kannst, wann du ein Foto aufgenommen hast oder dass du Notizen an eine geheime E-Mail-Adresse verschickst, anstatt sie auf Papier aufzuschreiben.

Bewahre diese Dokumentationen so sicher für dich auf, wie möglich, damit sie nicht zu einem Risiko für dich werden können. Du kannst dich zum Beispiel im Internet darüber informieren, wie man geheime Ordner oder Dokumente anlegen kann. Natürlich musst du dabei sicher sein, dass du nicht digital überwacht wirst. Auch hierbei können dir meine Tipps für deine digitale Sicherheit als erster Anhaltspunkt helfen.

11. Lass dich rechtlich zu allen deinen Fragen beraten


Eine rechtliche Beratung kann dir helfen, deine Rechte und Möglichkeiten zu verstehen. Schutzanordnungen, einstweilige Verfügungen oder die Klärung des Sorgerechts für gemeinsame Kinder können wichtige Schritte sein, um dich rechtlich abzusichern. Beratungsstellen für Gewaltbetroffene können dich bei diesem Prozess unterstützen. Ich habe dir in diesem Artikel  eine Übersicht über Möglichkeiten für rechtliche Beratungen zusammengestellt.

12. Bau dir ein Unterstützungssystem auf


Bei Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen kannst du einen Rückhalt finden, der dich auf deinem Weg bestärkt, weil du dort Menschen findest, die ähnliche Erfahrungen teilen oder sich damit gut auskennen. In diesem Artikel findest du einen Überblick über Beratungsstellen, die sich mit Gewalt auskennen. Außerdem kann dir eine Therapie dabei helfen, das Erlebte zu verarbeiten, Kraft und Selbstvertrauen zurückzugewinnen und dich auf das neue Kapitel vorzubereiten. Mehr dazu, wie du eine Therapie finden kannst, findest du in diesem Artikel

14. Kläre die Besitzrechte an Eigentum ab


Wenn du Wertgegenstände oder wichtige Dinge zurücklassen musst, informiere dich über deine Besitzrechte. Vielleicht ist es später möglich, mit Unterstützung zurückzukehren, um dein Eigentum wieder zu bekommen.

15. Plane den Zeitpunkt deines Fortgehens


Versuch, den Zeitpunkt, an dem du gehst, vorher zu planen und dafür einen Zeitpunkt zu finden, an dem du alleine zu Hause sein wirst. Zum Beispiel, wenn du weißt, dass dein*e Partner*in für einen ganzen Abend oder sogar länger nicht zu Hause sein wird. Plane auch, wie du unauffällig zu deiner sicheren Unterkunft kommen kannst. Dann kannst du deine Sachen packen, gehen und sicher ankommen, ohne Aufsehen zu erregen.

16. Mach dir Pläne für die Zeit danach


Stell dir eine Liste von Aufgaben und Zielen zusammen, die du nach der Trennung vor dir hast und die dir helfen, ein neues Leben aufzubauen. Dazu könnte die Organisation von Finanzen, die Suche nach einer dauerhaften Unterkunft oder Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung gehören. Schreib dir hier auch immer auf, wenn du Ratschläge von Beratungsorganisationen oder anderen Stellen bekommst, die du beachten solltest. 
Du kannst aber auch Dinge aufschreiben, die dir schon lange nicht mehr möglich waren und mit denen du den Anfang deines neuen Lebens beginnen möchtest.

Du schaffst das


Hör bei allen Schritten auf dein Gefühl, ob sie für dich notwendig sind oder nicht – oder ob sie sicher genug sind oder nicht. Denn niemand kann deine Situation so gut einschätzen wie du. Auch ich kann dir hiermit natürlich nur generelle Empfehlungen geben, die nicht alles abdecken können, was in deiner individuellen Situation notwendig sein mag. Hol dir deshalb jede Unterstützung, die dir offen steht. Du wirst Menschen und Organisationen finden, die hinter dir stehen werden.

Wenn du Hürden erlebst oder Unsicherheiten auftauchen, halte immer daran fest, dass du ein neues Leben beginnen wirst. Du verdienst es, sicher zu sein und dein Leben ganz frei gestalten zu können. Ich hoffe, ich konnte dir mit diesen Ratschlägen dabei helfen, ein besseres Bild davon zu bekommen, was du beachten kannst und wie du deinen Weg vorbereiten kannst. Ich weiß, dass es viel Mut, Kraft und Zeit kosten kann, diese Schritte auf deinem Weg zu gehen, aber jeder noch so kleine Schritt bringt dich weiter.

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