Deine Rechte

Ein hilfreicher Überblick über deine Rechte und Möglichkeiten, wenn du Gewalt erfahren hast

Vermutlich hast du dir die Frage gestellt, welche Möglichkeiten du jetzt rechtlich hast. Um diese Frage beantworten zu können, ist es wichtig, dass du erst einmal weißt, welche Rechte du als Opfer von Gewalt in Deutschland hast. Diese Rechte sollen dich schützen und unterstützen. Natürlich kannst du sie nur durchsetzen, wenn du sie kennst. Dafür habe ich dir hier einen Überblick zusammengestellt.

Lies dir deine Rechte aufmerksam durch und mach dir zu allem, wozu du Fragen hast, Notizen. Solltest du in einer Situation sein, in der es gefährlich sein könnte, wenn eine andere Person deine Notizen findet, achte dabei bitte darauf, dass sie nicht gefunden werden können. Im nächsten Schritt zeige ich dir dann, wo du dich zu deinen Rechten und rechtlichen Möglichkeiten genauer beraten lassen kannst.

Du hast ein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit

Grundsätzlich hast du das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit. Das heißt zum Beispiel, frei von Gewalt und Missbrauch zu leben. Körperliche und seelische Gewalt sind strafbar, weil sie dein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit einschränken.

Im Notfall hast du ein Recht auf Schutzmaßnahmen und Notfallhilfe

Wenn du akut von Gewalt bedroht bist, hast du ein Recht auf Schutzmaßnahmen und Notfallhilfe. Darunter fällt zum Beispiel, dass du kostenlos die Polizei unter 110 und den Notruf unter 112 erreichen kannst.

Wenn du Gewalt erlebt hast, hast du ein Recht auf vertrauliche Spurensicherung und medizinische Versorgung

Du hast ein Recht darauf, Spuren und Beweise sichern zu lassen, ohne sofort eine Anzeige erstatten zu müssen. Die Beweise werden vertraulich unter einem Decknamen aufbewahrt und du kannst zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob du Anzeige erstatten möchtest. Mehr Infos dazu habe ich hier für dich.

Außerdem hast du das Recht auf sofortige medizinische Versorgung, auch wenn du keine Anzeige erstattest. Dazu gehört die Behandlung von Verletzungen, die Vergabe von Notfallverhütung (z.B. die “Pille danach”) und Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten. Die ärztliche Schweigepflicht garantiert, dass diese Informationen nicht ohne deine Zustimmung weitergegeben werden. Mehr Infos dazu habe ich im Artikel zur Notfallmedizin  für dich.

Du hast ein Recht auf Beratung und Unterstützung

Du hast ein Recht darauf, beraten und unterstützt zu werden – und zwar anonym. Es gibt in Deutschland zahlreiche Beratungsstellen, die dir kostenlos und anonym Beratung und Unterstützung bieten. Diese gibt es natürlich auch speziell für verschiedene Betroffenengruppen – von LGBTQ+-Personen über BIPoc und Menschen mit Behinderungen. Mehr dazu findest du in meinem Überblick zu Beratungsstellen für Gewalt in Beziehungen oder sexualisierte Gewalt.

Zu diesem Recht gehört auch das Recht auf kostenlose psychologische Unterstützung und Traumatherapie. Es gibt viele Einrichtungen, die sich auf die Betreuung von Opfern von Gewalt spezialisiert haben, um zu helfen, mit den traumatischen Erlebnissen umzugehen und deine seelische Gesundheit zu stabilisieren.

Du hast das Recht auf Anzeige, Strafverfolgung und rechtlichen Beistand

In Deutschland stellen viele Formen der Gewaltanwendung Straftaten dar, die verfolgt werden können. Wenn dir eine Straftat widerfahren ist, hast du ein Recht darauf, dass gegen die Straftat vorgegangen wird. Du hast deshalb das Recht, Anzeige zu erstatten und kannst die gewalttätige Person festnehmen lassen. Bei sexualisierten oder häuslichen Gewaltdelikten muss die Polizei die gewalttätige Person strafrechtlich verfolgen, jedoch ist das in der Praxis nicht immer möglich.

Um deine Rechte durchsetzen zu können, hast du das Recht auf kostenlose rechtliche Beratung und anwaltliche Vertretung, besonders in Fällen von sexualisierter Gewalt. In vielen Fällen übernimmt der Staat die Anwaltskosten, wenn du keine finanziellen Mittel hast. Hierzu findest du mehr im Artikel über rechtliche Beratung

Wenn ein Verfahren eröffnet wird, hast du ein Recht darauf, als Nebenkläger*in am Verfahren teilzunehmen und gegebenenfalls Schadensersatz zu fordern.

Du hast ein Recht auf Übersetzung

Wenn du wenig oder kein Deutsch sprichst oder verstehst, hast du das Recht darauf, dass für die Strafanzeige eine Person zur Übersetzung bei Gesprächen mit der Polizei oder anderen juristischen Prozessen dabei ist.

Du hast ein Recht auf einen Aufenthaltstitel

Wenn du aus dem Ausland kommst, Opfer von häuslicher Gewalt geworden bist und durch deinen Aufenthaltstitel an die gewalttätige Person gebunden bist – z.B. durch eine Ehe – hast du das Recht, einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu beantragen. Wenn du keinen sicheren Aufenthaltsstatus hast, dann gibt es zusätzliche Begleitung, die dich beim Kontakt mit der Polizei unterstützen können.

Du hast ein Recht auf Unterstützung durch Opferhilfsorganisationen und auf Entschädigung

Opfer von Gewalt haben das Recht, Unterstützung durch spezielle Opferhilfsorganisationen wie den Weißen Ring zu erhalten, bei denen du unter anderem finanzielle Soforthilfe, Beratung und Begleitung zu Behördengängen oder Gerichtsprozessen​ bekommen kannst.

Nach dem Opferentschädigungsgesetz hast du außerdem das Recht auf finanzielle Entschädigung und Leistungen, wenn du durch die Tat körperliche oder seelische Schäden erlitten hast. Dazu gehören auch Therapiekosten oder Entschädigung für erlittene Schmerzen durch Schmerzensgeldansprüche.

Du hast Rechte, die deine Sicherheit bei häuslicher Gewalt, Bedrohung oder Stalking schützen

Wenn du Opfer häuslicher Gewalt bist und es deine Sicherheit erfordert, kannst du ein paar wichtige Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen:

1. Schutz deines Wohnraums:
In Deutschland kann eine Person von der Polizei aus der Wohnung verwiesen werden, wenn sie für jemanden eine Gefahr darstellt. Und zwar unabhängig davon, wem eine Wohnung oder ein Haus gehört oder wer offiziell mietet. Dann muss die gewalttätige Person eine Tasche packen und für bis zu drei Tage die Wohnung verlassen. In manchen Fällen sind sogar bis zu 14 Tage möglich. Wie viele Tage es in deinem Bundesland sind, kann dir die örtliche Polizei sagen. Dann kannst du erstmal durchatmen, dich sammeln, eventuell sogar ausziehen und dich in Sicherheit bringen. Für längere Verweise ist eine gerichtliche Verfügung nötig. Ein Gericht kann anordnen, dass die gewalttätige Person die Wohnung für einen bestimmten Zeitraum nicht betreten darf.

Außerdem kann die Polizei die gewalttätige Person in Gewahrsam nehmen, damit du erstmal sicher bist. Bitte die Polizei, dir Bescheid zu geben, bevor die Person entlassen wird oder dir zu sagen, falls das nicht möglich ist. Dafür musst du die Person nicht anzeigen.

2. Gewaltschutzanordnung:
Du kannst über die Polizei beim Familiengericht eine Anordnung erwirken, die der gewalttätigen Person verbietet, sich dir zu nähern oder Kontakt zu dir aufzunehmen. Wenn die Person diese Anordnung missachtet, drohen strafrechtliche Konsequenzen.

Beide Rechte bieten dir Sicherheit und Schutz vor weiteren Übergriffen.

3. Kontaktverbot
Die Polizei kann auch veranlassen, dass dich die gewalttätige Person nicht kontaktieren darf.
Die gewalttätige Person darf sich dir und deiner Wohnung dann nicht nähern und auch keinen Kontakt zu dir aufnehmen. Das nennt man ein Kontaktverbot. Das Gleiche gilt übrigens auch für Kinder, die bei euch wohnen und für die ihr sorgt.

Recht auf speziellen Schutz für Kinder

Wenn Kinder von Gewalt betroffen sind oder diese miterleben, gibt es spezielle Schutzmaßnahmen durch das Jugendamt. Du hast das Recht, Unterstützung für deine Kinder zu erhalten, zum Beispiel in Form von psychologischer Betreuung, einer Schutzunterkunft oder gerichtlichen Maßnahmen.

Du hast das Recht auf Unterstützung zurück in ein Leben nach der Gewalt

Als Opfer von häuslicher Gewalt hast du nach dem Verlassen einer gewalttätigen Beziehung oder einer gefährlichen Wohnsituation einen Anspruch auf Unterstützung bei der sogenannten Wiedereingliederung. Das heißt, dass du Hilfe bei der Wohnungssuche bekommen kannst, finanzielle Unterstützung und auch Zugang zu Sozialdiensten, die dir helfen, ein neues Leben zu beginnen.

Du hast ein Recht auf Schutz vor Stalking

Nicht nur bei Gewalt in Beziehungen oder häuslicher Gewalt, sondern auch bei Stalking hast du das Recht, rechtliche Schritte einzuleiten, um dich vor der stalkenden Person zu schützen. Das Gericht kann zum Beispiel verbieten, sich dir zu nähern, Kontakt aufzunehmen oder deinen Aufenthaltsort zu verfolgen. Ein Verstoß gegen diese gerichtlichen Verfügungen kann strafrechtliche Konsequenzen haben​.

In einem Gerichtsprozess hast du ein Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung

In besonders schweren Fällen, wie bei sexualisierter Gewalt, hast du das Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung. Diese Unterstützung umfasst die Betreuung durch speziell geschulte Personen, die dich während des gesamten Strafverfahrens begleiten und dir zur Seite stehen. Dazu kannst du zum Beispiel beim Weißen Ring beraten werden.

Nach einem Strafverfahren hast Du ein Recht auf Opferschutz

Falls du durch eine Aussage vor Gericht bedroht wirst, hast du das Recht auf Schutz nach dem Strafverfahren, z.B. durch Zeugenschutzprogramme. Dies kann auch bedeuten, dass deine Identität anonym bleibt oder dass dich die gewalttätige oder bedrohende Person nach dem Verfahren nicht kontaktieren darf.

Wie du jetzt weiter machen kannst, um deinen Weg zu finden

Jetzt, wo du deine Rechte kennst, kannst du deine Möglichkeiten besser einschätzen und bist damit einer Entscheidung darüber, ob und was du juristisch tun möchtest, schon einen entscheidenden Schritt näher gekommen.
Trotzdem möchte ich nicht, dass du dich blind auf deine Rechte verlässt. Denn nicht immer funktioniert alles so, wie es müsste und Rechte müssen aktiv durchgesetzt werden. Ich fühle mich dir gegenüber verpflichtet, ganz deutlich zu sagen, dass das für Opfer von Gewalt in der Realität nicht immer möglich ist. Zum Beispiel kann ein Recht auf Strafverfolgung nicht immer umgesetzt werden, weil die Rechtssysteme mit zu vielen Fällen überlastet sind.
Deshalb ist es super wichtig, dass du so viel Gebrauch von deinem Recht auf Beratung machst wie möglich. Wenn du dich gut beraten lässt, kannst du immer genauer herausfinden, welche Möglichkeiten es in deinem Fall gibt, was realistisch zu erwarten ist und worauf du achten musst. Mit jeder Information, jedem Gespräch und jeder beantworteten Frage kommst du einen Schritt weiter.


Damit du gut beraten werden kannst, habe ich dir als Nächstes Infos und Kontakte für eine rechtliche Beratung zusammengestellt.

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