Gewaltformen

Wie häufige Formen von sexualisierter Gewalt rechtlich eingeordnet werden

Viele Menschen haben eine Vorstellung davon, was sexualisierte Gewalt ist, können aber nicht so gut einschätzen, wie ihre Erfahrungen rechtlich eingeordnet werden. Mit diesem Überblick über die häufigsten Formen von Gewalt will ich dir helfen, das besser einschätzen zu können.

Wichtig zu wissen ist, dass deine Erfahrung zwar manchmal eindeutige Merkmale haben kann, welcher Form von Gewalt sie rechtlich zugeordnet werden können, dies aber meist sehr auf die verschiedenen Umstände ankommt. Das heißt, dass eine Einschätzung so individuell ist, dass nur Expert*innen es dir mit Sicherheit sagen können. Ich kann dir mit diesem Überblick also keine abschließende Sicherheit geben. Und es gibt auch noch weitere Formen, die unter andere Begriffe fallen.

Mir ist außerdem wichtig, dir zu sagen, dass natürlich jede Erfahrung mit Gewalt schwerwiegend für dich sein kann. Die rechtliche Definition und das Strafmaß hängen also nicht immer mit der emotionalen Belastung deiner Erfahrungen zusammen. Man kann also nicht sagen, dass eine Form schlimmer wäre als die andere, denn jeder Fall ist unterschiedlich und wird unterschiedlich erlebt.

Sexuelle Belästigung

Zu sexueller Belästigung gehören verschiedene Handlungen, von denen du dich belästigt fühlst. Das können zum Beispiel unerwünschte Berührungen, anstößige Kommentare, Gesten, Blicke oder Witze sein.

Belästigung kann ganz direkt und offen passieren, zum Beispiel indem dir jemand einen Klaps auf den Po gibt. Sie kann aber auch in einer Grauzone stattfinden, in der du dir nicht ganz sicher sein kannst, ob es Absicht war oder nicht. Zum Beispiel, indem dir jemand Blicke zuwirft, die dir unangenehm sind oder sexuelle Anspielungen macht, die als ‘normal’ abgetan werden. Manchmal werden verbale Belästigungen auch als Witze rübergebracht oder später als Witz dargestellt, um geleugnet zu werden. Du kannst dich aber auch durch andere Weisen, wie dich jemand behandelt, sexuell belästigt fühlen. Sexuell aufgeladene Kommentare über dein Aussehen oder deinen Körper und auch Ankündigungen von sexuellen Handlungen beispielsweise – also auch Hinterherpfeifen und Cat-Calling. Du kannst dich auch sexuell belästigt fühlen, wenn mit dir sexuelle Inhalte, wie Bilder oder Videos geteilt werden, ohne dass du dies möchtest. Und Exhibitionistische Handlungen fallen darunter – also wenn sich dir gegenüber jemand entblößt.

Alle diese Formen von Belästigung können beängstigend und verstörend sein. Und oft werden sie als versehentlich dargestellt, also wird dir von der Person zum Beispiel eingeredet, dass du etwas nur falsch verstanden hättest, was sehr verunsichern kann. Hör auf deine Intuition: Wenn du dich nicht wohl fühlst, ist das Verhalten der anderen Person nicht okay, ganz egal, wie es gemeint ist.
 


Im strafrechtlichen Sinne wird eine Handlung aber erst dann als sexuelle Belästigung gewertet, wenn dich jemand körperlich auf sexuelle Weise berührt. Du kannst eine Belästigung also nur, wenn du körperlich angefasst wirst, als sexuelle Belästigung anzeigen. Wenn du auf andere Weise belästigt wurdest, kann es allerdings möglich sein, die Person unter anderen Rechtsbegriffen wie Beleidigung oder Diskriminierung anzuzeigen. 


Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung

Im rechtlichen Sinne haben die Begriffe sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung sehr spezifische Bedeutungen als Tatbestände. Sie sind im Gesetz alle im §177 des Strafgesetzbuchs geregelt.

Der sexuelle Übergriff ist grob gesagt jede sexuelle Handlung, die gegen den erkennbaren Willen des Opfers geschieht.

Bei der sexuellen Nötigung müssen zu der sexuellen Handlung noch bestimmte Nötigungsmittel hinzukommen. Man versteht unter sexueller Nötigung strafrechtlich also Handlungen, bei denen du dazu gezwungen wirst, sexuelle Handlungen zu erdulden oder selber durchzuführen und dabei Nötigungsmittel wie Gewalt, Drohung mit Gewalt oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage eingesetzt werden. Das kann zum Beispiel heißen, dass du festgehalten wirst oder dass jemand dir androht, dich zu schlagen, wenn du bei etwas nicht mitmachst.

Vergewaltigung ist ebenfalls ein sexueller Übergriff und eine sexuelle Nötigung, aber eine besonders schwerwiegende Form, die als besonders erniedrigend eingestuft wird. Sobald eine Person in den Körper der anderen eindringt, gilt ein Übergriff als Vergewaltigung. Das Eindringen muss dabei nicht mit einem Penis geschehen – auch Eindringen mit den Fingern oder einem Gegenstand gehört dazu. Und es muss dabei auch nicht um vaginales Eindringen gehen, sondern kann auch anal oder oral bedeuten. Ein erzwungener Blow-Job wird deshalb zum Beispiel ebenfalls als Vergewaltigung gewertet.

Sexueller Missbrauch

Sexueller Missbrauch ist eine Form der sexuellen Nötigung und bedeutet, dass es zwischen der Person, die sich sexuell unerwünscht verhält und der Person, die Opfer dieser Handlungen wird, ein Abhängigkeitsverhältnis gibt. Ein Abhängigkeitsverhältnis besteht dann, wenn die betroffene Person das Verhältnis nicht so einfach verlassen kann – zum Beispiel, weil sie noch minderjährig ist, weil sie in einer Betreuungseinrichtung lebt, Gefangene*r oder Schutzbefohlene*r ist. Sexueller Missbrauch schließt also nicht die anderen Tatbestände aus, sondern bezieht sich auf die Umstände der Tat. Rechtlich gesehen wird der Missbrauch einer Abhängigkeitssituation also als zusätzlicher Tatbestand eines Falls betrachtet.

Hol dir Rat für eine persönliche Einschätzung deines Falls

Wenn du deine Erfahrung in einer der beschriebenen Begrifflichkeiten wiedererkennst, hilft dir das vielleicht dabei, sie als Gewalt anerkennen zu können und dich mit etwas mehr Sicherheit an Menschen oder Organisationen wenden zu können, die dir weiterhelfen können.

Natürlich kann es auch sein, dass dir etwas anderes widerfahren ist, das du hier nicht wiederfindest, weil sexualisierte Gewalt ganz unterschiedlich auftreten kann und es noch eine Reihe weiterer Tatbestände im deutschen Recht gibt. Das heißt natürlich nicht, dass deine Gewalterfahrung weniger wichtig ist als die oben beschriebenen. Ich würde dir ebenfalls empfehlen, dich an Expert*innen zu wenden, die einschätzen können, wie dein persönlicher Fall rechtlich eingeschätzt werden würde.

Ich habe dir in diesem Artikel verschiedene Möglichkeiten für rechtliche Beratungen zusammengestellt.

Vielleicht würde es dir aber gerade mehr helfen, dich allgemein von Beratungsstellen beraten zu lassen, weil du dich erst einmal mit anderen Fragen oder deinen Emotionen auseinandersetzen möchtest. Es kann oft schon helfen, über das Erlebte zu sprechen. Dafür kannst du in diesem Artikel die unterschiedlichsten Möglichkeiten finden.

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