Trauma verstehen

Lerne, was Trauma ist und wie du damit umgehen kannst

Wenn du eine traumatische Erfahrung gemacht hast, ist es wichtig, zu verstehen, was ein Trauma eigentlich ist, weil es Betroffene oft belastet, wie sie im Moment der Gewalt reagiert haben und was sie später erleben.
Ich gebe dir hier einen ersten Einblick in das Thema, um dir zu helfen, deine Erlebnisse besser einzuordnen und dich davor zu schützen, dass dich bestimmte Fragen oder Selbstvorwürfe belasten, die ganz typisch sind.

Was ein Trauma ist

Ein Trauma ist eine starke seelische und körperliche Reaktion auf ein Erlebnis, das so bedrohlich oder belastend ist, dass es unsere natürlichen Bewältigungsmechanismen überfordert. Es kann entstehen, wenn wir eine Situation erleben, die so bedrohlich und überwältigend ist, dass unser Körper und unser Geist nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen. Gewalt zu erfahren ist eines der häufigsten Erlebnisse, die zu einem Trauma führen.

In bedrohlichen Momenten reagiert unser Körper ganz instinktiv, um uns zu schützen – das passiert blitzschnell und oft ganz automatisch. Wie du auf eine Gewaltsituation reagierst, ist also keine bewusste Entscheidung, sondern deine Instinkte entscheiden für dich, welche Reaktion die größten Überlebenschancen verspricht. Deshalb hast du absolut nichts falsch gemacht – egal, wie du in der Situation reagiert hast – und solltest dir dafür keine Vorwürfe machen.

Als Folge des Traumas treten dann später Reaktionen auf, die von wiederkehrenden, belastenden Erinnerungen über Gedächtnislücken bis zu emotionaler Taubheit und Vermeidungsverhalten reichen können. Auch Schreckhaftigkeit ist eine typische Folge eines Traumas. Denn das Besondere am Trauma ist, dass unser Gehirn und Körper die Erinnerung an das Ereignis oft in einer Weise speichern, die dazu führt, dass wir auch später noch darauf reagieren, als wären wir wieder in Gefahr. Diese Reaktionen können tief in uns verankert bleiben und beeinflussen, wie wir fühlen, denken und auf Situationen in unserem Alltag reagieren.

Es gibt vier Formen von Traumareaktionen im Gefahrenmoment

Es gibt vier Überlebensmechanismen, mit denen dein Körper in einem Gefahrenmoment versucht, dich zu schützen:

  1. Kampf (Fight)
    Dein Körper versucht, aktiv gegen die Bedrohung anzukämpfen. Dies könnte sich darin äußern, dass du dich körperlich wehrst, beispielsweise durch Kratzen, Schlagen oder Schreien.

  2. Flucht (Flight)
    Mit dieser Reaktion versucht dein Körper, der Situation zu entkommen. Das kann entweder körperlich geschehen, indem du versuchst wegzulaufen, oder mental, indem du dich innerlich zurückziehst und „abschaltest“.

  3. Erstarren (Freeze)
    Manchmal bist du in einer bedrohlichen Situation wie gelähmt. Du kannst dich weder bewegen noch reagieren, weil dein Körper in einem Schockzustand gefangen ist.

  4. Unterwerfen (Fawn)
    Einige Menschen reagieren auf Trauma, indem sie versuchen, die Situation zu beruhigen, indem sie besonders freundlich oder kooperativ handeln – in der Hoffnung, das Gegenüber zu besänftigen.

Diese Reaktionen wählst du aber nicht bewusst, sondern sie geschehen automatisch, um dich zu schützen. Es gibt deshalb eben auch keine „richtige“ oder „falsche“ Art, auf eine traumatische Situation zu reagieren.

Das betone ich so sehr, weil ich weiß, dass sich viele Menschen nach einer Gewalterfahrung fragen, ob sie anders hätten reagieren sollen oder sich Vorwürfe dafür machen, wie sie reagiert haben: „Hätte ich mich mehr wehren sollen?“, „Habe ich die Situation durch mein Verhalten verschlimmert?“ oder “Warum habe ich nicht geschrien?” sind häufige Fragen, die sehr belastend sein können. Doch die Wahrheit ist: du hast dich nicht bewusst entscheiden können und die Weise, wie dein Körper reagiert hat, war die Einzige, die dir in dem Moment emotional und körperlich möglich war. Mach dir deshalb bitte keine Vorwürfe dafür, wie du auf die Gewalt reagiert hast. Weder in der Situation an sich, noch danach.

Flashbacks und Trigger

Nach einem traumatischen Erlebnis ist es nicht ungewöhnlich, mental und emotional immer wieder in den Moment der Gewalt zurückzukehren – sei es durch sogenannte “Flashbacks” im Alltag oder in Albträumen. Denn dein Gehirn versucht, das Erlebte zu verarbeiten. Es kann sich anfühlen, als würdest du den Moment des Traumas tatsächlich noch einmal erleben – selbst, wenn du in der Gegenwart wieder sicher bist.

Flashbacks werden meist durch bestimmte Auslöser hervorgerufen, die auch “Trigger” genannt werden. Das können zum Beispiel Worte oder Situationen sein, aber auch Sinneseindrücke wie Gerüche.

Such dir professionelle Unterstützung

Wenn du diese Reaktionen erlebst, solltest du das ernst nehmen und versuchen, eine professionelle Therapie zu finden, um dein Trauma zu verarbeiten. Wenn du (noch) keine Therapie machen kannst, kannst du versuchen zu lernen, dich in solchen Momenten aktiv in die Gegenwart zurückzuholen, indem du dich auf deine körperlichen Sinne konzentrierst. Mach dir aktiv bewusst, was du in diesem Moment siehst, spürst, hörst oder schmeckst. Das kann helfen, dich aus deiner Wahrnehmung zurück in die Realität zu holen und dir bewusst zu machen, dass du wieder in Sicherheit bist. Mit Übung kannst du die Kontrolle über deine Wahrnehmung des Moments immer mehr zurückgewinnen. Damit wird sich auch deine Angst vor diesen Momenten und vor Triggern lindern. Trotzdem ist eine wirkliche Verarbeitung eines Traumas im Rahmen einer Therapie wichtig, weil eine nicht abgeschlossene Verarbeitung zu langfristigen Folgen für deine Gesundheit und dein Leben führen kann und es professionelle Hilfe braucht, das einschätzen zu können.

Bau die Verbindung mit deinem Körper wieder auf

Was viele Menschen nicht wissen ist, dass Traumata nicht nur mentale, sondern auch körperliche Folgen haben. Sie hinterlassen Spuren in deinem Körper – auch lange, nachdem körperliche Verletzungen schon verheilt sind. Der Körper speichert das Trauma und reagiert darauf. Dabei wird das Gefühl, das du normalerweise für deinen Körper hast, gestört. Deshalb ist es wichtig, dein Gefühl für deinen Körper wiederherzustellen. Das geht, indem du Aktivitäten machst, die dich in deinen Körper zurückholen.

Einige Möglichkeiten, die dir helfen können, sind zum Beispiel Folgende:

  • Sport, Yoga oder Tanz können dir nicht nur helfen, Spannung abzubauen, sondern auch, dich wieder mehr mit deinem Körper zu verbinden

  • Umarmungen und sanfte Berührungen – ob von einer vertrauten Person oder auch von dir selbst – können ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln und dich in deinen Körper zurückholen

  • Durch bewusste Atemübungen kannst du kurzfristig dein Nervensystem beruhigen und in stressigen Momenten schneller wieder zur Ruhe finden. Deinen Atem zu spüren hilft aber auch dabei, mit der Zeit wieder eine Verbindung zu deinem Körper herzustellen.

Solche körperlichen Aktivitäten können für die Verarbeitung von Trauma zwar erst einmal trivial wirken, aber es ist mittlerweile nachgewiesen, dass sie helfen können. Davon berichtet zum Beispiel das Buch “The Body Keeps the Score” von Dr. Bessel van der Kolk, das ich dir sehr ans Herz legen kann. Es kann dir helfen zu verstehen, wie du ein Trauma verarbeiten kannst, indem du die Verbindung zwischen deinem Körper und deiner Psyche wiederherstellst.

Die Ohnmacht überwinden und Selbstwirksamkeit aufbauen

Selbstwirksamkeit bedeutet, darauf zu vertrauen, dass du dein Leben aktiv gestalten und Veränderungen herbeiführen kannst. Traumatische Erlebnisse hinterlassen oft das Gefühl, völlig ausgeliefert zu sein, und das Gefühl des Kontrollverlusts belastet uns oft am stärksten. Um wieder Stärke und Zuversicht zu gewinnen, hilft es, deine eigene Selbstwirksamkeit Schritt für Schritt aufzubauen. Das bedeutet, dass du dir kleine, machbare Ziele setzt, die du erreichen kannst, und dadurch erlebst, dass du etwas bewirken kannst.

Das kann zum Beispiel bedeuten, heute etwas zu tun, das dir gestern noch schwergefallen ist: einen Anruf zu erledigen, der dir Sorgen bereitet, einkaufen zu gehen, dich um dich selbst zu kümmern oder mit einer vertrauten Person über deine Erfahrungen zu sprechen. Jeder dieser kleinen Schritte ist ein Zeichen deiner Stärke und deines Fortschritts – und darauf kannst du stolz sein.

Was ich dir empfehlen würde

Ein Trauma zu überwinden, kostet Zeit und es braucht viele kleine Schritte in Richtung Heilung. Jede noch so kleine Überwindung ist deshalb ein Sieg auf dem Weg zurück zu einem Leben, das nicht mehr vom Trauma bestimmt wird. Hier sind einige Dinge, die ich dir empfehlen würde:

  • Such dir professionelle Unterstützung
    Wenn du Traumareaktionen an dir bemerkst, nimm das ernst und such dir professionelle Unterstützung. Eine Therapeut*in kann dir helfen, das Erlebte in einem sicheren Rahmen zu verarbeiten und langfristige Folgen des Traumas zu vermeiden

  • Hab Geduld mit dir selbst
    Heilung nach einem Trauma braucht Zeit. Setz dich also nicht unter Druck, schnell darüber hinwegzukommen. Mach dir bewusst, dass kleine Fortschritte große Schritte sein können, und erlaube dir, diesen Weg in deinem eigenen Tempo zu gehen.

  • Vermeide Selbstkritik und sei freundlich zu dir selbst
    Es ist leicht, in Selbstvorwürfe zu verfallen oder zu denken, man hätte anders reagieren sollen. Versuche, dich selbst mit Verständnis und Mitgefühl zu behandeln, so wie du es mit einer befreundeten Person machen würdest

Lerne mehr über Trauma

Ich hoffe, dass ich dir mit diesem Überblick helfen konnte, etwas Klarheit zu gewinnen. Aber natürlich gibt es noch viel mehr zum Thema Trauma zu sagen. Deshalb würde ich dir sehr empfehlen, dich weiter darüber zu informieren. Das kann dir zum Beispiel helfen, weil du immer mehr feststellen kannst, dass dein Erleben und das von anderen Menschen sehr ähnlich sind und deine Reaktionen ganz natürlich sind. Das hilft dir, dich vor Selbstvorwürfen zu schützen und Strategien kennen zu lernen, die dir persönlich helfen können.

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