STIs, Schwangerschaft & Co.

Medizinische Versorgung in der Zeit nach einer Gewalterfahrung

Vielleicht ist für dich schon zu viel Zeit verstrichen, um dich notfallmedizinisch behandeln zu lassen oder vielleicht kamen für dich Krankenhaus und Spurensicherung auch einfach nicht in Frage. Was immer deine Situation ist, möchte ich dir natürlich so gut wie möglich helfen.

Ein Thema, das viele Betroffene von Gewalt in den Tagen, Wochen und Monaten nach einer Tat belastet, ist die Frage um die Gesundheit. Ich gebe dir hier einen Überblick über medizinische Themen, die kurz nach einer Gewalterfahrung bis deutlich später wichtig für dich sein könnten.

Mach dir bitte keine Vorwürfe dafür, wenn du kurz nach einer Tat nicht dazu in der Lage warst, dich untersuchen zu lassen. Dass du dich jetzt hier informierst, ist super wertvoll. Ich will dich ermutigen, dir für die verschiedenen Themen, die dich betreffen, so kurzfristig wie möglich Termine zu machen oder in eine Notfallambulanz zu gehen. Wenn du sagst, dass du Gewalt erfahren hast, bekommst du aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich früher einen Termin. Und je schneller das möglich ist, desto besser: für deine Gesundheit, aber auch für deine emotionale Entlastung. Denn Sorgen um Themen wie Verletzungen, STIs und Schwangerschaft belasten dich zusätzlich und vielleicht sogar unnötig – oder unnötig lange.

Wenn nötig, nimm so bald wie möglich Notfallverhütung ein

Um eine Schwangerschaft zu verhindern, kannst du in den ersten Tagen nach einer Gewalterfahrung Notfallverhütung bekommen. Die “Pille danach” ist kein Schwangerschaftsabbruch, sondern verhindert eine Schwangerschaft. Je nach Wirkstoff kann die “Pille danach” drei bzw. fünf Tage wirksam sein, aber je schneller du sie nehmen kannst, desto höher die Wirksamkeit. Die “Pille danach” ist ohne Rezept in der Apotheke erhältlich und kostet dann zwischen 15€ und 35€. Wenn du ein Rezept hast, übernehmen unter bestimmten Bedingungen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. Ein Rezept kann dir bei einer Gynäkolog*in oder in der Hausarztpraxis ausgestellt werden. Wenn du unter 18 Jahre alt bist, musst du dann nichts zuzahlen. Zwischen 18 und 21 musst du eine Rezeptgebühr von 5€ bezahlen. Ab 22 trägst du die vollen Kosten, auch mit Rezept. Bitte beachte, dass dein Gewicht für die Wahl der Pille wichtig ist, weil die Wirksamkeit bei mehrgewichtigen Personen je nach Wirkstoff gemindert wird. Lass dich dazu unbedingt von der Person, die sie dir verschreibt oder verkauft, beraten, weil das nicht allen Menschen bewusst ist.

Lass dich medizinisch betreuen, um dich zu entlasten - besonders, wenn es dir schwer fällt

Ich weiß, dass es nicht für alle Menschen einfach ist, mit dem Gesundheitssystem zu interagieren, weil sich Mitarbeitende in ärztlichen Praxen oder im Krankenhaus unsensibel oder diskriminierend verhalten könnten. Wenn dich das zurückhält und du dich unwohl fühlst, allein zu gehen, ist es umso wichtiger, dass dir jemand den Rücken stärkt. Bitte, wenn du kannst, eine Vertrauensperson zur Begleitung mitzukommen. Außerdem kannst du versuchen, medizinische Betreuung zu finden, die sensibel für deine Situation ist – sei das deine psychische Situation oder für deine Diskriminierungserfahrungen. Das geht zum Beispiel auf dieser Seite von Gynformation mit Allies für verschiedene Betroffenengruppen, bei Queermed Deutschland oder durch Kontakt mit DaMigra, dem Dachverband der Migrantinnenorganisationen.

Lass dich auf sexuell übertragbare Infektionen (STIs) testen & behandeln

Nach einem sexuellen Übergriff ist es natürlich verständlich, dass du dir Sorgen machst, ob du mit einer sexuell übertragbaren Infektion (“sexually transmitted infection”, STI) angesteckt worden sein könntest.

Sexuell übertragbare Infektionen sind zum Beispiel Chlamydien, Gonorrhoe, Hepatitis B, Syphilis oder HIV. Um sie festzustellen, wird dir entweder Blut abgenommen oder du gibst eine Urinprobe ab. STI-Tests können bei der Gynäkolog*in oder Urolog*in gemacht werden. In vielen Städten bieten außerdem die Gesundheitsämter, die Aidshilfe oder andere Checkpoints kostenlose Tests an. Hier wirst du auch beraten, welche Tests für dich sinnvoll sind und was passiert, wenn ein Test positiv ist.

Wenn ein Test positiv sein sollte, kannst du dich schnell behandeln lassen. Nicht alle STIs zeigen überhaupt Symptome wie Jucken oder Ausschlag im Intimbereich, selbst wenn eine Infektion vorliegt. Viele STIs sind mit Antibiotika gut in den Griff zu bekommen. Wenn du mit der Behandlung wartest, steigt allerdings das Risiko auf Langzeitfolgen wie zum Beispiel Unfruchtbarkeit. Auch, wenn es unangenehm sein kann, solltest du alle Personen, mit denen du seit der Infektion sexuellen Kontakt hattest, informieren, damit sie sich auch testen lassen können. Du musst ihnen natürlich nicht sagen, weshalb du die Infektion hast, wenn du nichts mit ihnen zu deiner Gewalterfahrung teilen willst.

Falls du später mal anzeigen willst, kann ein positiver STI-Test sogar als Beweismittel vor Gericht verwendet werden. Wenn du dich für Symptome einer STI behandeln lässt, lass die behandelnde Person also wissen, dass die Infektion im Rahmen von Gewalt passiert ist und dass sie das dokumentieren sollte. Auch deshalb werden Betroffene von sexualisierter Gewalt oft auch mehrmals im Abstand einiger Wochen oder Monate untersucht, damit man nachweisen kann, dass bei der ersten Untersuchung noch keine Erkrankung nachgewiesen werden konnte, später dann aber schon.

Während Ärzt*innen der Schweigepflicht unterliegen, kann es trotzdem sein, dass eine Infektion mit Hepatitis, Syphilis und HIV mit deinem Namen beim Gesundheitsamt gemeldet werden muss. Das hat für dich aber keine negativen Folgen.
Besonders eine Infektion mit HIV (Humanes Immundefizienz-Virus) hat ein gesellschaftliches Stigma und kann sich sehr belastend anfühlen. Die Infektion mit dem HI-Virus kann langfristig zu AIDS (Akquiriertes Immundefizienz-Syndrom) führen, bei dem das Immunsystem des Körpers angegriffen wird. Heute ist eine Infektion mit HIV aber medikamentös sehr gut zu behandeln, und die Lebenserwartung wird kaum eingeschränkt. Je früher du Bescheid weißt, desto früher kann eine Behandlung beginnen. Solltest du dir Sorgen darüber machen, findest du mehr Infos dazu bei der Aidshilfe.

Wenn du dich nicht an eine andere Person wenden möchtest oder andere Gründe hast, keine dieser Optionen in Anspruch zu nehmen, kannst du dir auch einen STI-Test bei Angeboten wie Remi oder Cerascreen bestellen und per Post zuschicken lassen. Sie haben verschiedene Tests, die zwar mit Kosten bis 150€ nicht ganz günstig sind, aber es kann deine Sicherheit und Gesundheit sehr erhöhen und die Klarheit kann dich entlasten.

Lass dich, wenn nötig, auf eine Schwangerschaft untersuchen

Ein sexueller Übergriff ist ein sehr belastendes Erlebnis und kann auch in den Wochen und Monaten danach für viel Stress sorgen. Falls deine Periode ausbleibt, kann auch dieser Stress der Grund dafür sein. Mach deshalb im Zweifel einen Schwangerschaftstest. Das geht schnell und es ist besser, je früher du Bescheid weißt. Einen Schwangerschaftstest kannst du erst einmal einfach zuhause machen.

Schwangerschaftstests sind Urintests, kosten zwischen 3€ und 15€, und du kannst sie in jeder Drogerie kaufen. Sie sind recht zuverlässig. Wenn dein Schwangerschaftstest zuhause positiv ist, lass das Ergebnis als bei deiner Gynäkolog*in bestätigen. Das funktioniert über einen Bluttest. Natürlich kannst du auch direkt einen Bluttest machen lassen, wenn du dir restlos sicher sein willst.

Wenn auch dieser positiv sein sollte und du schwanger bist, ist das natürlich vermutlich erst einmal ein Schock für dich. Du hast dann aber einige Möglichkeiten, was du machen kannst.

Wenn du ungewollt schwanger geworden sein solltest

  • Beim Hilfetelefon “Schwangere in Not” kannst du telefonisch unter 0800 4040 020
    oder per Chat anonyme und sichere Beratung bekommen. In einer Beratungsstelle kannst du auch persönlich vor Ort beraten werden.

  • Wenn du die Schwangerschaft abbrechen möchtest, brauchst du dafür einen Beratungsschein. Den bekommst du nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung in einer Beratungsstelle. Für einen Schwangerschaftsabbruch brauchst du keine Zustimmung der Person, von der du schwanger bist. Natürlich kannst du bei der Beratung direkt ansprechen, dass die Schwangerschaft aus einer Gewalterfahrung heraus entstanden ist und das zu deinem Wunsch beiträgt.

Die Entscheidung, ob du die Schwangerschaft fortführen möchtest, liegt ganz bei dir und du musst die Schwangerschaft nicht abbrechen, wenn du das nicht möchtest. Menschen, die durch einen sexuellen Übergriff oder in einer Gewaltbeziehung schwanger geworden sind, reagieren ganz individuell darauf. Auch hier gibt es keine richtige oder falsche Entscheidung. Es ist dein Körper und deine Zukunft, und deine persönliche Entscheidung ist die einzig richtige für dich.

Lass deine Verletzungen behandeln - auch noch deutlich später

Wenn du Verletzungen durch körperliche oder sexualisierte Gewalt hast oder sich dein Körper nicht anfühlt wie sonst, geh zu deiner Hausärzt*in, Gynäkolog*in oder Urolog*in. Sie können dir weiterhelfen und dich beraten. Wenn du möchtest, können dir Mediziner*innen auch Informationen geben, wo du in deiner Stadt oder Umgebung eine vertrauliche Spurensicherung machen kannst.

Gewalt zu erfahren bedeutet Stress für deinen Körper

Aber auch ohne körperliche Verletzungen leidet deine Gesundheit unter einer Gewalterfahrung. Denn dein Stresslevel ist erhöht und du hast weniger Zeit und emotionale Energie, um dich um sonst normale Dinge wie gutes Essen und Bewegung zu kümmern – von Entspannung, die jeder Mensch verdient und braucht, mal ganz abgesehen. Traumatische Erfahrungen können sich auch in deinem Körper festsetzen. Deinen Körper zu bewegen und zu spüren kann dich wieder in den gegenwärtigen Moment holen und dich bei der Bewältigung deiner Erfahrungen unterstützen. Sprich, wenn du dich gestresst fühlst, mit einer Ärzt*in darüber. Falls du in einer gewalttätigen Beziehung sein solltest, ist das umso wichtiger, weil dein Nervensystem in ständiger Alarmbereitschaft ist.

Hier findest du Hilfe wegen STIs

Suchmaske für Apothekennotdienst in deiner Nähe
Telefonische Beratung zu HIV und sexuell übertragbaren Infektionen (STIs): 0180 3319411
Hier kannst du Heimtests für STIs/Geschlechtskrankheiten online kaufen: Remi und Cerascreen
Beratung via Chat oder E-Mail zu HIV und sexuell übertragbaren Infektionen (STIs)
Suchmaske für Fachärzte für STIs/Geschlechtskrankheiten in der Nähe

Hier findest du Hilfe wegen Schwangerschaft

Suchmaske für Apothekennotdienst in deiner Nähe
Hilfetelefon für Schwangere in Not: 0800 4040 020 oder Beratung per Chat
Beratungsstellen für Fragen zu Schwangerschaft & Schwangerschaftsabbrüchen
Falls du bereits eine Schwangerschaftskonfliktberatung gemacht hast, findest du unten auf dieser Seite oder hier Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen

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