Gespräche helfen


Was dir hilft, dich anderen anzuvertrauen

Wenn du noch mit niemandem oder nur wenigen Menschen darüber gesprochen hast, was du erlebt hast, kann sich der Gedanke daran ganz schön überfordernd oder beängstigend anfühlen. Es kostet oft viel Überwindung – kann dir aber auch sehr dabei helfen, deine Erfahrungen zu verarbeiten. Ich will dir hier ein paar Dinge mitgeben, die dir dabei helfen können, dich auf Gespräche vorzubereiten.

Sprechen erleichtert und schafft Verbundenheit

Der direkte Austausch mit anderen kann dir helfen, dich nicht allein zu fühlen und wirklich verstanden zu werden. Dem Gefühl, allein mit einem Problem zu sein, setzt man am besten mit Gemeinschaft und Zusammenhalt etwas entgegen.

Es kann sich sehr erleichternd anfühlen, nicht mehr für sich zu behalten, was einem passiert ist oder immer noch passiert. Du hast nichts falsch gemacht und solltest nicht durch Schweigen davon belastet werden. Das, was du aussprichst, steckt nicht mehr in deinem Inneren fest. Du befreist dich mit jedem Gespräch davon. Dir diese Entlastung zu schenken, ist wahnsinnig wertvoll.

Für viele Betroffene ist es ein unglaublich befreiender Schritt, sich anderen zu öffnen und mit jedem Mal mehr zu merken, dass sie sich nicht für ihre Erfahrungen schämen müssen. Zu hören, dass eine andere Person ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder auch nur, dass sie da ist, heilt und schafft Verbundenheit. Diese Verbundenheit verdienst du gerade jetzt mehr denn je.

Sprechen hilft, das Chaos im Kopf zu ordnen

Es kann sein, dass du – vor allem am Anfang – merkst, dass du deine Erfahrungen noch nicht richtig ausdrücken kannst. Das ist völlig normal und in Ordnung. Das Chaos in deinem Kopf wird sich mit jedem Mal, das du darüber sprichst, ordnen. Und das ist einer der wichtigsten Gründe dafür, sich anderen anzuvertrauen. Die Eindrücke, Gefühle, zeitlichen Abläufe und andere Fragmente setzen sich immer mehr zusammen, sodass du dich von ihnen irgendwann nicht mehr so überfordert fühlst. Gib dir Zeit und sprich am Anfang mit Personen, die dir mit Verständnis begegnen.

Vertrau dich erst einmal anonym jemandem an, wenn dir das leichter fällt

Wenn du dich nicht bereit fühlst, jemandem aus deinem Umfeld von deinen Erfahrungen zu erzählen, kann es am Anfang auch hilfreich sein, dich zuerst einmal jemandem anonym anzuvertrauen. Die Anonymität einer Telefonischen Beratung, einer Selbsthilfegruppe oder eines Onlineforums kann helfen, dich zu überwinden und zu öffnen. Nutze solche anonymen Angebote also ruhig wie eine Art Testlauf. Du kannst dadurch lernen, womit du dich wohl fühlst und wofür du noch nicht bereit bist.

Such dir eine Person aus, der du vertraust

Das Wichtigste ist, dass du auf dein Gefühl hörst, welche Person sensibel ist und sich für dich wie eine Vertrauensperson anfühlt, der du dich anvertrauen kannst. Vertraue besonders am Anfang deinem Gefühl. Mit der Zeit wirst du lernen, das immer besser einzuschätzen und bekommst auch Übung darin, dich denen anzuvertrauen, denen du zwar davon erzählen möchtest, aber bei denen du das Ganze mit etwas mehr Distanz angehen willst.
Wähle die Zeit, den Ort und die Gesprächsweise, die dir am besten passen.

Vielleicht fühlst du dich bei einem Spaziergang am wohlsten oder an deinem Küchentisch – vielleicht in einem Café oder bei der anderen Person zu Hause. Möglicherweise fällt es dir aber auch leichter, dich am Telefon anzuvertrauen oder in einem Video-Call. Such du dir ganz frei aus, wie du dich am wohlsten fühlst.

Fang mit ungenauen Beschreibungen an

Am Anfang kann es leichter sein, erst einmal nur ganz grob zu sagen, dass dir etwas passiert ist. Du kannst sogar als erstes mit deinen Bedürfnissen oder Ängsten ins Gespräch starten. Wenn du dich danach bereit fühlst, etwas mehr zu teilen, kannst du dich im Gespräch langsam vortasten. Spür immer wieder in dich rein, ob du dich wohl genug fühlst, mehr zu teilen. Mit der Zeit kannst du einer Person dann so viel erzählen, wie du möchtest und dich dabei sicher fühlen.

Du bist niemandem schuldig, etwas zu teilen

Teile nur das, was du von dir aus teilen möchtest. Die meisten Menschen werden umsichtig darauf reagieren. Sie können aber auch Fragen stellen, die du gerade einfach noch nicht beantworten möchtest. Das ist völlig ok. Sag ihnen so offen wie möglich, dass du darüber noch nicht sprechen willst.

Bitte die Person direkt um Verschwiegenheit

Vielleicht machst du dir Sorgen darum, ob irgendjemand anderes davon erfahren könnte, was du mit deiner Vertrauensperson teilst. Bitte dein Gegenüber deshalb ganz direkt, dir zuzusagen, niemandem etwas davon zu erzählen. Sprich an, dass es wichtig ist, dass du die Kontrolle darüber hast, was deine Situation betrifft.

Gleichzeitig kann es ebenfalls belastend für die Person sein, zu erfahren, was dir passiert ist – vor allem, wenn ihr euch nahe steht. Deshalb kann auch sie das Bedürfnis haben, mit jemandem darüber sprechen zu können. Ich würde dir empfehlen, ein paar Regeln auszumachen, mit denen du dich wohl fühlst. Das kann zum Beispiel sein, dass dein Name nicht erwähnt wird, dass keine Details genannt werden oder dass keine gemeinsamen Bekannten davon erfahren. 

Sprich an, was dir gut tut und was nicht

Bitte die Menschen, mit denen du sprichst, so genau wie möglich darum, was du brauchst. Sag ihnen, ob du eher gerade jemanden brauchst, der zuhört oder ob du Rat möchtest. Vielleicht möchtest du auch gemeinsam schweigen können oder dir ist nach Ablenkung.
Wenn du dich unwohl mit etwas fühlst, ist es ebenfalls für euch beide das Beste, es kurz anzusprechen. Dann fühlst du dich nicht unter Druck gesetzt, weiter darüber zu sprechen oder das auf eine Weise zu tun, die dir nicht gut tut. Und dein Gegenüber kann lernen, dir so zu helfen, wie es für dich gut ist.

Beachte, dass auch die andere Person betroffen sein kann

Natürlich kann es sein, dass auch der Person, der du dich anvertraust, mal etwas passiert ist. Das kann einen Moment großer Verbundenheit und Entlastung sein, aber du solltest trotzdem die Möglichkeit im Hinterkopf behalten, dass es für die andere Person eigene Belastungen wieder hoch bringen kann, die sie belasten. Taste dich deshalb im Gespräch langsam vor und bitte dein Gegenüber, die zu sagen, wenn sie bestimmte Grenzen hat. Zum Beispiel, ob du Details auslassen sollst, die konkret die Gewalt betreffen.

Für den Fall, dass eine Person auf verletzende Weise reagiert

Das Herantasten, das ich oben beschrieben habe, hilft dir auch, falls du dir Sorgen darüber machst, wie eine Person reagieren könnte. Viele Menschen kennen sich mit Gewalt nicht gut aus und haben deshalb Vorstellungen im Kopf, die dir gegenüber nicht gerecht sind. Manche Menschen sind auch davon überfordert, wenn man schlimme Erlebnisse oder intensive Gefühle mit ihnen teilt. Es kann also sein, dass eine Person nicht so reagiert, wie du es dir erhoffst und es verdienst.

Taste dich deshalb in jedem Gespräch langsam, Schritt für Schritt, vor. Das verschafft dir nicht nur Sicherheit, dass dein Gegenüber mit der Situation umgehen kann, sondern macht es auch der anderen Person leichter, die eigenen Gefühle zu bewältigen

Falls die Reaktion, die du im Gespräch bekommst, dich verletzt, sprich das direkt an und setze der Person eine Grenze. Das kann unheimlich schwer sein, aber es geht hier ganz allein um deine Bedürfnisse. 

Du darfst dich natürlich auch jederzeit einer Situation entziehen. Falls es wirklich mal vorkommen sollte, dass dich eine Reaktion verletzt, wende dich anschließend bitte an eine andere Vertrauensperson oder ein Unterstützungsangebot, um nicht allein zu sein und das Gespräch reflektieren zu können.

Für den Fall, dass eine Person mit Wut auf die gewalttätige Person reagiert

Es kann leider manchmal vorkommen, dass in einem Gespräch bei deinem Gegenüber ein Schutzinstinkt oder Wut in den Vordergrund treten. Vor allem Väter, Brüder und andere Personen, die männlich sozialisiert wurden, wollen deshalb manchmal direkt dazu übergehen, die gewalttätige Person zu konfrontieren.

Solltest du eine solche Situation bei einer Person befürchten, versuch ihr erst dann von deinen Erfahrungen zu erzählen, wenn du bereits andere Personen eingeweiht hast, die dich in dem Gespräch unterstützen können. Bitte sie, gemeinsam mit dir für deine Bedürfnisse einzutreten und die Person, wenn nötig, zu beruhigen. Du kannst deine Unterstützer*in auch bitten zu erklären, dass das im Vordergrund steht, was du brauchst und dass du alleine entscheiden darfst, was passieren soll. Dass es gerade bei Gewalt wichtig für die betroffene Person wichtig ist, die Kontrolle zu haben über alles, was passiert.

Bau dir mit der Zeit ein unterstützendes Umfeld auf

Mit jeder Person, der du dich anvertraust, kannst du dir immer mehr ein unterstützendes Umfeld aufbauen. Vielleicht merkst du irgendwann, dass es eine bestimmte Person gibt, mit der du dich besonders gut ablenken kannst und eine andere, die du anrufen kannst, wenn es dir richtig schlecht geht. Eine weitere hilft dir vielleicht dabei, bestimmte Dinge zu organisieren oder dich im Alltag zu unterstützen. Bau dir dieses Netz an Unterstützung mit der Zeit auf – ein Gespräch nach dem anderen.

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