Wenn du an dem Punkt angekommen bist, dass es dir wieder einigermaßen ok geht, kann es sein, dass dein Bedürfnis wächst, mit deinen Erfahrungen abzuschließen und sie hinter dir zu lassen. Das erleben die meisten Betroffenen irgendwann.
Natürlich heißt das nicht, dass plötzlich alles einfach wieder gut ist oder so ist wie früher. Im Alltag kann es immer wieder mal zu Situationen kommen, die dich belasten, überfordern oder dich mit einem Mal wieder an deine Erfahrungen erinnern. Für solche Momente möchte ich dir ein paar Dinge mit auf deinen Weg geben. Natürlich kannst du jederzeit zurückkommen und sie dir hier durchlesen.
Mach dir selbst deine eigene Stärke bewusst
Allein, dass du das hier jetzt liest, heißt schon, dass du auf einem guten Weg bist, deine Erfahrungen zu verarbeiten. Du bist also bereits ein ganzes Stück des Weges gegangen und hast angefangen, dein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Du kannst darauf unglaublich stolz sein. Erinnere dich selbst immer wieder daran, wie viel Stärke du hast. Und genau auf diese Stärke und Resilienz wirst du auch in Zukunft zählen können, wenn es dir mal nicht so gut geht oder du schwierige Situationen meistern musst.
Folge deinem Gefühl
Es wird Situationen geben, in denen du unsicher bist, was du tun solltest. Hör immer darauf, was sich richtig anfühlt und umso mehr, wenn etwas bei dir ein schlechtes Bauchgefühl auslöst. Natürlich fühlen sich nicht alle Schritte, die dir langfristig helfen, in dem Moment besonders angenehm an. Aber du kennst den Unterschied zwischen Dingen, die du nicht machen willst, obwohl sie eigentlich gut für dich wären und Dingen, die du nicht machen willst, weil du merkst, dass sie dir schaden könnten. Vertrau deinem Gefühl und lass dich von niemandem darin verunsichern.
Fordere nicht zu viel von dir selbst
Natürlich kann es eine ganze Weile dauern, bis man eine Erfahrung wie Gewalt verarbeitet hat und sich davon nicht mehr belastet fühlt. Aber das ist ok. Das Entscheidende ist, dass du nicht verdrängst, was passiert ist, sondern dich damit auseinandersetzt. So kannst du Schritt für Schritt hinter dir lassen, was passiert ist. Erwarte also bitte nicht von dir, dass alles ganz schnell wieder in Ordnung sein muss oder dass du die Belastung von heute auf morgen abschütteln kannst. Es ist völlig normal und ok, dass es dir eine Zeit lang nicht ok geht. Und es ist genauso ok, dass es immer mal wieder Phasen oder Momente geben kann, in denen dich deine Erfahrungen wieder mehr belasten. Aber sie werden mit der Zeit seltener, kürzer und weniger schlimm.
Geh mit dir selbst um wie mit deinen liebsten Menschen
Wir kennen das alle: zu uns selbst sind wir härter als wir es jemals zu unserer besten Freundin, unserem Bruder oder der Person, die wir am meisten lieben, wären.
Wenn du Gedanken hast, die sich belastend anfühlen, würde ich dir raten, dich immer wieder selbst zu fragen, ob du mit deinen wichtigen Menschen so sprechen würdest, wie du in Gedanken mit dir selbst sprichst. Ob du die gleichen Dinge von ihnen erwarten würdest, die du von dir erwartest. Oder ob du ihnen die gleichen Vorwürfe machen würdest, wie du dir selbst.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Antwort “nein” – vielleicht sogar “niemals”. Dir diese Frage zu stellen, kann dir helfen, mit der Zeit zu lernen, dir selbst mit der gleichen Liebe und Nachsicht zu begegnen, die du deinen Liebsten entgegenbringst. Denn genau das verdienst du: mit Liebe behandelt zu werden – von dir selbst genau wie von Anderen.
Nicht, was dir passiert ist, bestimmt dein Leben, sondern du selbst
Genauso, wie du keine Schuld und Verantwortung dafür hattest, was dir passiert ist, definiert es auch nicht, wer du bist und wie deine Zukunft aussieht. Das tust ganz allein du selbst.
Sollte es sich doch mal so für dich anfühlen: mach du dir bewusst, dass deine Gewalterfahrung irgendwann nur noch ein Teil deiner Geschichte sein wird – weil du sie immer weiter verarbeitest und hinter dir lässt. Du wirst eines Tages zurückschauen und erstaunt feststellen können, wie weit weg sich mittlerweile alles anfühlt.
Und schon jetzt bist du ein großes Stück dieses Weges gegangen. Die nächsten Schritte deines Weges stehen dir jetzt offen. Und du kannst sie so gestalten, wie du möchtest. Du kannst dich mit der Zeit immer mehr zu der Person entwickeln, die du sein möchtest und dir immer mehr Freiheit schenken. Vielleicht wünschst du dir deine Normalität zurück – oder du möchtest ganz im Gegenteil eine große Veränderung.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dir neue Wünsche zu Ziele auszumalen
Ich würde dir wünschen, dass du mit Zuversicht und Kraft ganz bewusst in die Zukunft starten kannst. Zum Abschluss deines Weges hier, kannst du dir vielleicht etwas Zeit und Raum nehmen, um kleine und große Wünsche zu formulieren, zu träumen und dir neue Ziele zu stecken. Finde Inspiration für Dinge, die in der Zukunft liegen und die du dir selbst verwirklichen kannst. Vielleicht schreibst du sie dir als Liste auf oder legst ein Mood-Board damit an. Du kannst natürlich auch eine Collage machen oder dir andere Möglichkeiten überlegen, dir deine neue Vision immer wieder vor Augen führen zu können.
Schaff dir ein Ritual
Ganz zum Schluss, bevor du den letzten Artikel zum Abschied liest, würde ich dir vorschlagen, dir ein Ritual zu überlegen, mit dem du deinen bisherigen Verarbeitungsweg abschließt und symbolisch hinter dir lässt.
Vielleicht möchtest du einen Brief an dich selbst schreiben und ihn (sicher!) verbrennen. Vielleicht hast du dir schon lange eine bestimmte Unternehmung gewünscht, mit der du dich jetzt selbst dafür beschenken darfst, was du alles geschafft hast.
Oder vielleicht gibt es einen Gegenstand wie einen Schlüsselanhänger, ein Schmuckstück oder ein besonders schönes Tagebuch, das du dir für deinen Neuanfang schenken kannst. Es kann natürlich auch sein, dass du eher das Bedürfnis hast, dir beim Friseur symbolisch die Haare zu schneiden oder dich zu einem Tanzkurs anzumelden, den du lange schon machen wolltest.
Sei ganz frei – aber schaff dir bewusst einen Moment, mit dem du das Ende dieses Weges markierst. Du hast es so sehr verdient, deine Erfahrungen hinter dir lassen zu können – und ich freue mich, wenn ich dir dabei helfen konnte.